Übergänge

Die Jahreszeit ist neu. Jedenfalls nicht mehr, was sie eben noch war. Hauptberuf der vergehenden Jahreszeit: Sommer. Jetzt nur noch im Nebenberuf stundenweise sonnig. Unser Landrat wird demnächst neu. Jedenfalls nicht mehr derselbe, wie die Jahrzehnte davor. Nämlich ehrenamtlich. Nach der Stichwahl" (welch Turnierplatz-Wort!) wird er nicht nebenbei, sondern immerzu Landrat sein. Dafür gegen Geld. Der Samtgemeindebürgermeister vom Alten Amt Ebstorf ist auch nicht mehr der Alte. Der Alte ist neu. Dafür ist der alte Alte jetzt Ebstorfer Bürgermeister und dies ohne Geld. Dafür gegen Ehre (die wir allen Hauptberuflichen auch solange zollen wollen, wie sie ihre Ämter in Ehren halten). Zeit also zum Nachdenken über Übergänge. Jeder Mensch. Jede Altersstufe bereitet sich anders darauf vor. Das Kleinkind, wenn die Mutter weg ist und das Kind den Übergang von Ihrer Anwesenheit zu ihrer Abwesenheit Oben muss, schleift eine Jeanshose der Mutter hinter sich her. Oder ein Kuscheltier, das sie von ihr hat. Das macht den Übergang leichter, weswegen wir solche Sachen wie geliebte Jeanshosen und geschenkte Spielviecher Übergangsobjekte" nennen Erwachsene packen für eine Reise Fotos der Lieben ein und deponieren diese in der Brieftasche oder gar demonstrativ auf dem Hotelnachttisch oder Filial-Schreibtisch. Da werden Fotos zu Übergangsobjekten wie die Fotos der Vertriebenen. Nur dass deren Fotos gleich ganze verlassene Welten für immer stellvertreten mussten. Autofahrer wechseln in Übergangszeiten demnächst die Reifen von Sommer zu Winter und allesamt holen wir die Klamotten heraus für die Übergangszeiten und halten die für den Winter in greifbarer Reserve. Die besten Hilfen für Übergange, finde ich, sind die in uns selbst. Da sind die inneren Bilder und Geschichten vom abschließenden Sommer, die wir uns selbst und anderen beschreiben und erzählen können wie die dichtende Maus Frederick, die dann ihren depressiven Kollegen im Winterhungerquartier vom Sommer erzählt. Wir können aber, was Mäuse wegen fehlender Großhirnrinde nicht können, auch von der Zukunft träumen und diese Träume austauschen. Was machen wir im Herbst? Was im Winter, vor dessen Ende wir uns ganz sicher schon über Frühlingsgefühle unterhalten werden. Wie auch immer: Übergänge sind dazu da, dass wir aber sie auch gehen und keinen überspringen. Etwa, wenn wir ab Ende dieses Sommers die ganze Zeit den nächsten planen. Und Herbst, Weihnachten, Schnee und erste Primeln übersehen. Die meisten unserer psychischen Krankheiten entstehen dadurch, dass Menschen zu schnell oder zu langsam die Übergänge nehmen, sie überspringen (mussten) oder sie schlicht ignorieren (lernten), Feiern wir die Übergänge. Es lebe der Spätsommer, es lebe der Frühherbst! Es leben die alten und neuen Bürgermeister und - ganz frisch gehend bzw. kommend - unser Landrat! Sie werden hoffentlich Fachleute sein für die anstehenden andauernden anspannenden politischen Dauerübergange. Wünschen wir uns und ihnen. dass sie durchhalten als Übergangsvirtuosen. Und eines nicht sind - eine Übergangslösung.

9. September 2003